Einfach. Praxisnah.
Ein Fallbeispiel
Grau ist alle Theorie! Lesen Sie daher zur Veranschaulichung die (leicht abgewandelte) Entscheidung eines Arbeitsgerichts zu einem eher untypischen Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über den Schulungsanspruch, wie er sich aber in der Praxis durchaus abspielen könnte.
Der Fall
Der Betriebsratsvorsitzende Max Mustermann war als Maschinenführer in Teilzeit zu einem verhältnismäßig geringen Gehalt bei der B-GmbH beschäftigt.
Das Gremium beschloss einstimmig, ihn für drei Tage auf das Seminar „Betriebsänderung“ zu entsenden.
Als der Betriebsrat die Geschäftsführung von diesem Entsendebeschluss in Kenntnis setzte, verweigerte diese unter dem Hinweis auf die vermeintlich fehlende Erforderlichkeit die Kostenübernahme für das Seminar. Zudem wäre Herr Mustermann „aufgrund der aktuellen Personallage“ im Zeitpunkt des Seminars unabkömmlich.
Max Mustermann ließ sich von seinem Arbeitgeber nicht einschüchtern und nahm trotzdem an der Schulung teil. Daraufhin behielt der Arbeitgeber den Lohn für die Seminardauer ein und erteilte eine Abmahnung wegen unentschuldigten Fehlens am Arbeitsplatz. Auch die Seminargebühren des Schulungsveranstalters bezahlte er konsequenterweise nicht.
Max Mustermann erhob daraufhin in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer im Urteilsverfahren Klage auf Auszahlung seines ungekürzten Monatsgehalts sowie auf Entfernung der Abmahnung aus seiner Personalakte.
Die Entscheidung des Gerichts
Das Arbeitsgericht gab Max Mustermann in beiden Punkten Recht und argumentierte dabei wie folgt:
Urteilsverfahren anstelle Beschlussverfahren
Der Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung aus einer Personalakte ist in gleicher Weise ein individualrechtlicher Anspruch, wie der aus § 37 Abs. 2 und 3 BetrVG folgende Vergütungsanspruch. Denn auch wenn die Vorwürfe des Arbeitgebers im Betriebsratsamt wurzeln, machte der Arbeitgeber mit dem unentschuldigten Fehlen eine Verletzung der individuellen Arbeitspflicht zum Vorwurf der Abmahnung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2012, Az. 10 Ta 1993/11).
Schulungsanspruch inzident zu prüfen
Wenngleich Aufhänger der Klage Abmahnung und Vergütungsansprüche waren, musste das Gericht inzident prüfen, ob ein Schulungsanspruch des Betriebsratsvorsitzenden Max Mustermann bestanden hatte. Da aber von Max Mustermann im Verfahren ein betrieblicher Anlass nachgewiesen werden konnte (der Arbeitgeber plante größere Umstrukturierungen), spielte es vorliegend keine Rolle, dass es sich beim Seminar „Betriebsänderung“ um ein sog. Spezial-Seminar handelte. In den Entscheidungsgründen betonte das Gericht auch nochmals, dass Betriebsratsvorsitzende, Stellvertreter und Freigestellte anerkanntermaßen einen erhöhten Bildungsbedarf haben (vgl. BAG, Beschluss vom 27.09.1974, Az. 1 ABR 71/73).
Schließlich konnte Max Mustermann auch die ordnungsgemäße Beschlussfassung zu seiner Entsendung anhand des vorbildlich geführten und unterzeichneten Sitzungsprotokolls nachweisen. Der Arbeitgeber hatte dies im Prozess (mit Nichtwissen) bestritten.
Der Verweis des Arbeitgebers, Herr Mustermann wäre „aufgrund der aktuellen Personallage“ im Zeitpunkt des Seminars unabkömmlich, wurde im Verfahren nicht weiter geprüft: Zum einen war der Einwand viel zu pauschal, zum anderen hätte der Arbeitgeber bei Einwendungen in Bezug auf die zeitliche Lage der Schulung gemäß § 37 Abs. 6 S. 5 BetrVG die Einigungsstelle anrufen müssen, was er vorliegend nicht getan hat.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie
Gemäß § 12a ArbGG hatte Max Mustermann unabhängig des für ihn positiven Prozessausgangs die eigenen Rechtsanwaltskosten zu tragen. Da er keine private Rechtschutzversicherung hatte, war dies bei seinem kleinen Gehalt durchaus schmerzhaft.
Verfahrenskosten vermeiden!
Dies hätte er jedoch womöglich vermeiden können, wenn zunächst der Betriebsrat im Rahmen eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens die Freistellung von den angefallenen Seminarkosten beantragt hätte. Denn in diesem Verfahren hat nach § 40 BetrVG der Arbeitgeber alle anfallenden (Rechtsanwalts-)Kosten zu tragen. Wäre bereits hier eine gerichtliche Entscheidung über den Schulungsanspruch getroffen worden, hätte die begründete Aussicht bestanden, dass es der Arbeitgeber womöglich gar nicht auf eine (weitere) Entscheidung im individualarbeitsrechtlichen Urteilsverfahren ankommen lässt.
Aber Vorsicht: Arbeits- oder tarifvertragliche Ausschlussklauseln könnten allein durch Zeitablauf bewirken, dass bestehende (Lohn-)Ansprüche verfallen. Diese sollten Sie bei so einem Vorgehen daher unbedingt im Auge behalten!